Das geplante Gezeitenkraftwerk von E.ON – Ökologisch wirklich sinnvoll?

Energieriese E.ON hat seine neuste TV-Werbekampagne ganz im ökologischen Sinne inszeniert. Ein Mann geht an einem Strand entlang und ist fasziniert von der Kraft der Wellen. Dann wird von ihm sprachlich der Bogen zu E.ON geschlagen und auf das neuste Projekt des Energieerzeugers verwiesen. Ein Gezeitenkraftwerk soll entstehen, das die Kraft des Wassers, bedingt durch Strömungen am Meeresgrund, in ökologisch sinnvolle und saubere Energie umwandeln soll. Der Mann erläutert das Prinzip des Kraftwerks anhand eines Modells. Große Turbinen sollen am Meeresboden platziert und durch die Wasserbewegungen angetrieben werden. „Eine saubere Sache“, schließt der Mann. „Tolle Technik!“ Abschließend verweist er auf die Website von E.ON und fordert den Zuschauer auf „Informier’n Sie sich doch mal!“

Gesagt, getan! Die Autorin dieses Eintrages hat sich gründlich auf der Website von E.ON umgesehen und informiert. Acht Megawatt Leistung soll das geplante Kraftwerk einfahren. „Genug, um etwa 5000 Haushalte dauerhaft mit Strom zu versorgen.“ verspricht E.ON. An sich keine schlechte Aussicht und doch haben sich bei mir nach und nach immer mehr Zweifel an den tatsächlichen ökologischen Aspekten des Projektes ergeben. Zunächst einmal war bereits im Webespott auffällig, dass überhaupt nicht die Rede davon war, wo genau dieses Kraftwerk eigentlich entstehen soll. Vor Ostfriesland, an der schleswig-holsteinischen Küste? Eine andere Möglichkeit würde sich in Deutschland wohl kaum ergeben, da die Wasserbewegungen in der Ostsee für ein solches Projekt einfach zu gering sind. Schließlich handelt es sich bei der Ostsee ja auch um eine Art Binnenmeer ohne Anschluss an einen der großen Ozeane. Also doch an der deutschen Nordseeküste? Nein! Weit gefehlt! Nichts dergleichen ist der Fall! Das Kraftwerk soll vor der Westküste Großbritanniens, genauer gesagt, vor der walisischen Küste entstehen, da dort einer der wenigen Bereiche im europäischen Raum existiert, wo so ein Vorhaben aufgrund der am Meeresgrund vorherrschenden Strömungen überhaupt möglich und machbar ist. Nun fragt sich der kritische Verbraucher natürlich, warum darauf nicht schon in der Werbung hingewiesen wurde? Schließlich dürfte es den umweltbewussten deutschen Stromkunden schon interessieren, dass für die Lieferung des „sauberen“ Stroms nach Deutschland das Verlegen von vielen, vielen Kabeln quer durch die Nordsee nötig werden würde. Wohl doch nicht so ökologisch, das Ganze, wie?

Als Grund für den Standort werden die geringen Intensitätsunterschiede bei den vor Wales herrschenden Strömungen je nach Tide angegeben. Nun gut, dann findet das Ganze eben an der britischen Küste statt. Aber, Moment mal: Wäre E.ON nun tatsächlich an den ökologischen Aspekten des Unternehmens interessiert, hätte man doch die auf der E.ON Website angesprochene englische Partnerfirma oder aber den konzerneigenen englischen Ableger mit der Vermarktung des Projektes in Großbritannien beauftragen können. Dann würden die Briten mit prima Ökostrom beliefert und wir Deutschen könnten uns an ihnen ein Beispiel nehmen. Stattdessen wirbt man für das Kraftwerk in Deutschland. Dafür muss es anscheinend einen weiteren Grund geben. Sollen tatsächlich wir Deutschen mit dem Ökostrom beliefert werden oder möchte der E.ON Konzern, der in Deutschland eher für seine Atomkraftwerke, denn für Ökostrom bekannt ist, lediglich sein Image aufbessern? Da Ökologie in Deutschland mehr als „In“ ist, könnte der Konzern hier damit bei vielen unkritischen Verbrauchern auf offene Ohren stoßen. Warum sonst das Werben für ein Kraftwerk vor der Küste von Wales?

Wahrscheinlich wird die Image-Aufbesserung der Grund für die Kampagne sein und der Strom selbst hier in Deutschland niemals aus den Steckdosen kommen. Wenn doch, hätte ich ob der vielen Meerespflanzen und –tiere, die durch den Bau, den Betrieb und die sicher immer wieder nötigen Wartungen der Turbinen in 50m Tiefe ihren Lebensraum und sogar das eigene Leben verlieren werden, außerdem ein schlechtes Gewissen. Auch, wenn E.ON auf seiner Website diese Konsequenz aus dem Turbinenkraftwerk schön redet („…keine Schäden an Flora und Fauna des Meeresbodens…“, „Man sieht es nicht, man hört es nicht!“), die Realität bei den bereits auf der Welt existierenden Gezeitenkraftwerken sieht anders aus. Nicht wir Menschen, aber die Pflanzen und Tiere vor Ort sehen und hören eine ganze Menge von dem Kraftwerk. Und sind keineswegs begeistert von der „tollen Technik“. Dort, wo in Jahrtausenden ein ökologisches Gleichgewicht entstanden ist, wird dieses durch Gezeitenverschiebungen hinter den großen Turbinen nach und nach zerstört.

Ein hoher Preis für vergleichsweise wenig Strom, der mit dem Kraftwerk letztlich erzeugt werden kann. 5000 Haushalte klingt zunächst viel, ist aber im Vergleich zu anderen alternativen Energielieferanten, wie beispielsweise der Windkraft, sehr wenig. Alles in allem kann ich den Bau eines solchen Kraftwerkes weder vor der walisischen Küste noch möglicherweise irgendwann einmal vor der hiesigen Nordseeküste befürworten. E.ON sollte sich bessere Möglichkeiten mit realem ökologischem Nutzen überlegen, um tatsächlich etwas für die Umwelt zu tun. Die Kosten der sicherlich immens teuren Werbekampagne für das Gezeitenkraftwerk hätten auch an eine Umweltschutzorganisation weitergeleitet werden können. Dort wären sie sicherlich besser aufgehoben gewesen.

Dieser Artikel wurde von Energieblog.de am 01. Dezember 2007 geschrieben und unter Energie, Energie und Umwelt, Technik abgelegt. Ihm wurden folgende Schlagworte zugewiesen: , , .

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